Ellen Demuth Mitglied des Landtages in Rheinland-Pfalz, Mitglied des Kreistages Neuwied, Mitglied des Stadtrates Linz
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CDU Positionen
Familienpolitik für kinderreiche Familien

Einleitung

Familien sind das Fundament unserer Gesellschaft. Sie geben Orientierung in einer sich schnell verändernden Welt. Familien beruhen auf lebenslangen Bindungen, schützen vor Vereinsamung und sind Garanten für wechselseitige Hilfe und Solidarität über die Generationengrenzen hinweg. Die Familie ist die wichtigste Schule für Mitmenschlichkeit und Verantwortung eines und einer jeden. In ihr wird der zwischenmenschliche Zusammenhalt unserer Gesellschaft unmittelbar erfahrbar: Die Pflege der älteren Generation, die Erziehung und Bildung der Kinder und Jugendlichen aber auch die finanzielle Sicherheit breiter Bevölkerungsschichten sind ohne familiäre Solidarität nicht vorstellbar.  

Die Aufgaben der Familie können und sollen nicht durch den Staat übernommen werden. Denn weder können staatliche Stellen und Institutionen die familiäre Fürsorge und Anteilnahme in ihrer besonderen Qualität ersetzen, noch wäre dies auf Dauer zu finanzieren.

Familien leisten zudem den entscheidenden Beitrag zur demografischen Stabilisierung unseres Landes. Allein durch die Geburt, die Erziehung und Bildung von Kindern kann dauerhaft sichergestellt werden, dass Deutschland eine Zukunft hat.

In besonderer Weise sind es Familien mit drei oder mehr Kindern, die diese Leistungen erbringen. Insbesondere mit Hilfe kinderreicher Familien kann das Geburtendefizit reduziert werden. Sie wenden deutlich mehr Zeit für Erziehung, Pflege und Betreuung auf als Kleinfamilien, und sie leisten einen immensen finanziellen Beitrag für die nachwachsende Generation.

In Deutschland leben rund 900 000 Familien mit drei oder mehr minderjährigen Kindern im Haushalt. So definiert, stellen kinderreiche Familien einen Anteil von rund 11 Prozent aller Familien mit Kindern ausschließlich unter 18 Jahren. Werden erwachsene Kinder mitgezählt, liegen die Zahlen erheblich höher. Insgesamt wächst mehr als ein Viertel aller Kinder mit zwei oder drei Geschwistern auf. 17% der Frauen unter 50 Jahren, das sind 22% aller Mütter, haben mindestens drei Kinder geboren[1].

Entgegen vieler Annahmen sind kinderreiche Familien kein Auslaufmodell. Seit mehr als 25 Jahren bleibt ihr Anteil an den Familienformen nahezu konstant. Allein in der öffentlichen Debatte tauchen sie kaum als eigenständige familienpolitische Zielgruppe auf. Abseits von skurrilen Einzelfällen werden ihre Bedürfnisse kaum wahrgenommen.

Von kinderreichen Familien wird noch immer häufig ein Zerrbild gezeichnet. Kaum bekannt ist, dass unter kinderreichen Familien Eltern mit einem Hochschulabschluss überrepräsentiert sind. Gleichzeitig geht auch die Wahrnehmung fehl, dass es überwiegend einkommensschwache Familien seien, die viele Kinder bekommen. Vielmehr sind umgekehrt Kinder eine finanzielle Herausforderung. So sind fast 50 Prozent der kinderreichen Familien im Transferbezug erwerbstätig. Durch familienpolitische und steuerliche Fehlsteuerungen driften sie jedoch erst aufgrund der Kinderzahl in den Transferbezug ab.

 

 

Vor diesem Hintergrund ist es das Ziel der CDU-Landtagsfraktionen in Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz, eine eigenständige Familienpolitik für kinderreiche Familien einzufordern und zu gestalten, Schlechterstellungen dieser Familienformen entgegenzuwirken und in der Gesellschaft eine größere Sensibilität für kinderreiche Familien und ihre Belange zu erreichen.

I. Kinderreiche als eigenständige Zielgruppe in den Blick nehmen

Familienformen sind in den vergangenen Jahrzehnten vielfältiger geworden. Dies ist Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins der Bürger, ihr Leben eigenständig und individuell zu gestalten. Die neue Vielfalt ist aber auch Ausdruck dessen, dass Lebenswege Brüche und, daran anschließend, Richtungsänderungen und Neuanfänge aufweisen.

Die Bedürfnisse der verschiedenen Familienformen sind in vielen Fällen unterschiedlich ausgeprägt. So unterscheiden sich die Anforderungen an die Familienpolitik zwischen einem Ehepaar mit einem Kind und einem guten Doppelverdienst grundsätzlich von einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern und von einer Familie mit fünf Kindern.

In den vergangenen Jahren wurde das familienpolitische Augenmerk auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf gelegt. Parallel wurde über die besonderen Herausforderungen alleinerziehender Eltern diskutiert. Hier bleibt ein weiterer Handlungsbedarf offensichtlich. Auch Regenbogenfamilien finden einen breiten Raum in der gesellschaftspolitischen Debatte.

Wenig Raum in der gesellschaftspolitischen Diskussion erhält dagegen die Gruppe der kinderreichen Familien. In den vergangenen Jahren wurden familienpolitische Maßnahmen kaum dahingehend überprüft, wie sie auf kinderreiche Familien wirken. Ihre besonderen Herausforderungen finden zu wenig Beachtung.

Dies gilt auch für andere Bereiche unserer Gesellschaft, in denen kinderreiche Familien kaum Berücksichtigung finden. So wird häufig die Kinderzahl bei Familieneintrittskarten für Museen limitiert, ebenso bei Freizeiteinrichtungen oder Schwimmbädern und Familienfahrscheinen der Verkehrsverbünde, und zwar auf zwei oder maximal drei Kinder. Nur in Großraumlimousinen oder Fahrzeugen der gehobenen Mittelklasse ist es möglich, drei Kindersitze auf der Rückbank unterzubringen.

Diese Gedankenlosigkeit stellt sich kinderreichen Familien im Alltag als Rücksichtslosigkeit dar. Nicht selten wird eine erhöhte Kinderzahl negativ bewertet. In einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung von 2015 waren 70 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Mehrheit der Bevölkerung Kinderreichtum für „asozial“ halte.[2]

Hier bedarf es einer größeren Sensibilität. Kinderreiche Familien müssen als eigenständige Zielgruppe familienpolitischer Maßnahmen verstärkt in den Blick genommen werden.

Deshalb:

1.    Im Familienministerium des Bundes sind kinderreiche Familien in die Referats- und Abteilungszuständigkeiten gesondert aufzunehmen.

 

2.    Gesellschaftspolitischen Stereotypen gegenüber kinderreichen Familien ist aktiv entgegenzuwirken. Die begrüßenswerte Lebensform „Mehrkindfamilie“ sollte gesondert in die Lehrpläne der Schulen aufgenommen werden.

 

3.    Zudem ist der Lebensform „Mehrkindfamilie“ ein größerer Stellenwert in den familienpolitischen Veröffentlichungen der Länder[3] und des Bundes einzuräumen.

 

4.    Die Definition von Familie in den Statistischen Ämtern muss vereinheitlicht werden, damit eindeutige Angaben zu Anzahl und Größe von Familien gemacht werden können.

5.    Bei familienpolitischen Gesetzesvorhaben sollten die Anliegen kinderreicher Familien stärker berücksichtigt werden.

 

II. Belange kinderreicher Familien in der Politik der Länder stärker berücksichtigen

Öffentlicher Verkehr

Mobilität ist in kinderreichen Familien ein wichtiges Thema. In diesen Familien übersteigen die divergierenden Mobilitätsanforderungen signifikant die durchschnittliche Zahl der vorhandenen Kfz. Deshalb ist der öffentliche Personennahverkehr von großer Bedeutung. Jedoch beschränken noch immer viele Verkehrsverbünde die Kinderzahl auf maximal drei pro Familienfahrschein. Eine Erhebung des Prognos-Instituts aus dem Jahr 2013 zeigt, dass sich Familien mit vier und mehr Kindern deutlich stärker als andere durch Kosten für Bus und Bahn belastet fühlen. Einzelne Verkehrsverbünde zeigen, dass hier eine Regelung möglich ist, die alle kinderreichen Familien berücksichtigt.

Deshalb:

6.    Die Landesregierungen und die kommunalen Träger des öffentlichen Personennahverkehrs sollten gemeinsam mit den Verkehrsverbünden darauf hinwirken, dass die Preisgestaltung der Familienfahrscheine alle kinderreichen Familien berücksichtigt.

Wohnen

Passenden Wohnraum zu finden stellt für viele kinderreiche Familien insbesondere in urbanen Regionen eine große Herausforderung dar. So werden gerade im städtischen Umfeld häufig kleine Wohneinheiten errichtet, da sie sich wirtschaftlicher vermarkten lassen. Wohnungen oder Häuser mit fünf oder mehr Zimmern werden zunehmend seltener angeboten oder bevorzugt an gut verdienende Kleinfamilien oder Paare ohne Kinder abgegeben bzw. vermietet.

 

Deshalb:

7.    Die Länder sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten, wie z.B. dem staatlich geförderten Wohnungsbau, den Raumbedarf kinderreicher Familien besonders berücksichtigen.

 

8.    Die Länder sollten gemeinsam mit den zuständigen Fachverbänden prüfen, inwieweit eine Änderung des Mietrechts die Schaffung von größer dimensioniertem Wohnraum befördern kann. Eine Möglichkeit wäre bei neu geschaffenen Wohnungen z. B. ab 100m²-Wohnfläche das Gewerbemietrecht statt das Wohnmietrecht gelten zu lassen und damit einen Bauboom an großen Wohnungen auszulösen. Denn wie bei Gewerberäumen gäbe es dann auch keine Knappheit mehr an Großwohnungen.

 

9.    Die Wohnungsbauförderprogramme und die Programme zur Wohnungseigentumsförderung der Länder sollten die Kinderzahl der Antragsteller stärker berücksichtigen.

Bildung und Betreuung

Eltern sind sehr um ihre Kinder bemüht. Mehrkindfamilien wenden deshalb ein beträchtliches zeitliches Maß für die Erziehung, Bildung und Betreuung ihrer Kinder auf und nehmen nicht selten Einbußen beim materiellen Wohlstand, beruflichen Fortkommen und manchen persönlichen Freiheitsgraden in Kauf. Um sie nicht noch mehr zu belasten, sollten den Familien auferlegte Bildungs- und Betreuungsaufwendungen immer berücksichtigen, dass kinderreiche Familien diese Ausgaben nicht nur einmal, sondern mehrfach stemmen müssen.

Deshalb:

10.  Die Kommunen sollten ermutigt werden, soweit sie Gebühren für Kindertagesstätten und andere örtliche Familienangebote erheben,  diese möglichst nach der Kinderzahl der Familie zu staffeln.

11.  Die Beitragsgrenzen für die Lernmittelfreiheit - wo sie nicht ohnehin komplett kostenfrei gestellt ist – sollten die Belastungssituation kinderreicher Familien stärker berücksichtigen.

12.  Die Kosten für Ausflüge, Kurs- und Klassenfahrten sollten immer vor dem Hintergrund geplant werden, dass manche Familien diese nicht nur für ein oder zwei Kinder bezahlen müssen, sondern ggf. für drei oder mehr Kinder. Schulische Fördervereine sollten dafür gewonnen werden, ein besonderes Augenmerk darauf zu richten, dass kinderreiche Familien nicht überfordert werden, und ihre Förderkriterien entsprechend anzupassen.

 

 

 

 

Freizeit und Tourismus

Kinderreiche Familien sind besonderen finanziellen Lasten ausgesetzt, da sie deutlich größeren Wohnraum benötigen und einen besonders großen Teil ihres Familieneinkommens für Konsumausgaben des Alltags aufbringen müssen. Dies erschwert es vielen Familien zusätzliche Ausgaben für Freizeitgestaltung und Ferien einzuplanen.

Vor diesem Hintergrund ist es unverständlich, dass es noch immer staatliche Museen, Schlösser und Burgen sowie mit Steuergeld geförderte Freizeitanlagen und Schwimmbäder gibt, die Familieneintrittskarten anbieten, bei denen die Kinderzahl auf zwei oder drei Kinder begrenzt ist. Einige dieser Einrichtungen bieten überhaupt keine Familieneintrittskarten an.[4] Baden Württemberg hat deshalb noch unter CDU-Regierungsverantwortung den Landesfamilienpass eingeführt, der kinderreichen Familien den freien Eintritt in alle staatlichen Burgen, Schlösser und Museen, sowie Familieneintrittskarten für viele weitere Freizeiteinrichtungen ermöglicht.

Die Urlaubsregionen Deutschlands bleiben das beliebteste Urlaubsziel der Deutschen. Deshalb sollte auch hier auf eine familiengerechte Preisgestaltung geachtet werden. Denn eine unbedachte, allein personenbezogene Preisgestaltung für Ferienwohnungen, -häuser und Hotels kann Mehrkindfamilien in unangemessener Weise belasten.

Deshalb:

13.  In allen Museen, Schlössern und Burgen in Trägerschaft der Länder sollten Familieneintrittskarten angeboten werden, die die Zahl der Kinder einer Familie nicht begrenzen.

 

14.  Die Landesregierungen sollten bei den Trägern öffentlich geförderter Schwimmbäder und Freizeiteinrichtungen anregen, Familieneintrittskarten einzuführen, die nicht die Zahl der Kinder beschränken.

15.  Instrumente wie die Hessische Familienkarte sollten einen eigenen Schwerpunkt auf kinderreiche Familien legen, für diese nach besonders geeigneten Angeboten suchen und sie evtl. gesondert bewerben.

16.  Die Etablierung einen Gütesiegels für familienfreundIichen Tourismus und Gastronomie kann die Sensibilität für eine familiengerechte Preisgestaltung stärken. Das Gütesiegel ist in Zusammenarbeit mit Tourismus- und Gastronomieverbänden zu entwickeln.

Kommunale Abgaben

Durch die zunehmende Spreizung der Haushaltsgrößen stehen kinderreiche Familien in der Gefahr, durch die verbrauchsbezogenen kommunalen Abgaben überproportional belastet zu werden. Denn unabhängig von der Haushaltsgröße muss die kommunale Infrastruktur aufrechterhalten werden. Große Haushalte müssen jedoch durch die verbrauchsbezogene Abrechnung nicht nur ihren größeren Verbrauch schultern, sondern auch einen deutlich größeren Anteil an der Aufrechterhaltung der kommunalen Infrastruktur leisten.

Deshalb:

17.  Die Länder und die Kommunen sollten gemeinsam in Gespräche eintreten, wie kinderreiche Familien bei den kommunalen Abgaben direkt oder indirekt entlastet werden können. Die Initiative der Windelsäcke kann dabei als Beispiel dienen, wie eine Entlastung von Familien auf kommunaler Ebene gestaltet werden kann.

 

III. Bundespolitische Initiativen zur stärkeren Berücksichtigung kinderreicher Familien

Familienpolitik ist in erster Linie eine Angelegenheit des Bundes. Deshalb müssen Mehrkindfamilien vor allem durch das Bundesfamilienministerium stärker in das Blickfeld gerückt werden. Denn Mehrkindfamilien sind in vielen Bereichen strukturell benachteiligt.

So verfügen kinderreiche Familien im Durchschnitt pro Kopf gerechnet über knapp 30 Prozent weniger Einkommen als Paarhaushalte mit einem Kind. Das monatliche Nettoeinkommen von Mehrkindfamilien ist zwischen 2005 und 2013 langsamer gestiegen als das der anderen Familien. Am größten ist der Unterschied im Vergleich zu Lebenspartnerschaften ohne Kinder.[5]

Die Gründe hierfür liegen auch in der bisherigen Familienpolitik. Denn es haben vor allem Familien mit ein oder zwei Kindern vom Ausbau der Betreuungsinfrastruktur und vom Elterngeld profitiert. Die zusätzlich von Eltern mehrerer Kinder geleistete Erziehungs- und Betreuungsarbeit findet bisher noch zu wenig Berücksichtigung.

Kinderreiche Familien sind zudem einer besonderen Steuerlast ausgesetzt, da sie deutlich mehr als andere Haushalte alltägliche Konsumausgaben zu verzeichnen haben. Deshalb haben sie eine überproportionale Belastung über die Mehrwertsteuer zu tragen. Die steuerlichen Entlastungseffekte bei der Einkommenssteuer verlieren dadurch für sie spürbar an Gewicht.

Familienpolitik für Kinderreiche sollte diese besonderen Belastungseffekte wahrnehmen und durch zielgenaue Maßnahmen abbilden. Das ist jedoch bisher nicht der Fall. Denn die wenigsten familienpolitischen Maßnahmen nehmen kinderreiche Familien in den Blick. In der Studie des Prognos-Instituts aus dem Jahr 2013 wird lediglich bei drei von insgesamt 13 familienpolitischen Maßnahmen eine Differenzierung nach der Kinderzahl aufgeführt: Beim Wohngeld, beim Kinder- und beim Elterngeld. Die Differenz beim Kindergeld fällt jedoch mit 6 bzw. 31 Euro monatlich äußerst gering aus. Der Zuschlag beim Elterngeld kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass diese familienpolitische Maßnahme von den wenigsten kinderreichen Familien voll ausgeschöpft werden kann. Durch die Kinderzahl und die damit verbundenen größeren zeitlichen Anstrengungen für Erziehung und Betreuung, sind kinderreiche Mütter im Jahr vor der Geburt des zweiten oder darauffolgenden Kindes deutlich seltener (voll) erwerbstätig. Deshalb erhalten sie häufig nur den Mindestbetrag des Elterngeldes. Die Abschaffung der Eigenheimzulage und des Erziehungsgeldes auf Bundesebene sowie des Landeserziehungsgeldes in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg haben zudem in besonderer Weise kinderreiche Familien getroffen.

Diese Sichtweise wird durch die Prognos-Studie gestützt, in der ermittelt wurde, dass Mehrkindfamilien finanziellen Familienleistungen klar den Vorzug gegenüber öffentlichen Betreuungsangeboten geben.

Familien leisten einen unschätzbaren Beitrag für den Zusammenhalt und Fortbestand der Gesellschaft. Übergreifendes Ziel der Familienpolitik der Bundesregierung war es in den vergangenen Jahren stets, zum Leben mit Kindern zu ermutigen. Bisher wurde vorrangig versucht, die Entscheidung für das erste Kind zu erleichtern. Nicht weniger vielversprechend erscheint heute der Ansatz, Familien bei der Entscheidung für ein drittes Kind zu unterstützen. Denn in diesen Konstellationen sind beide Eltern sowie grundlegende räumliche und finanzielle Voraussetzungen bereits vorhanden. Dafür müssen jedoch die familienpolitischen Leistungen für das dritte Kind und weitere Kinder deutlich verbessert werden.

Deshalb:

18.  Familienpolitische Leistungen sollten aufgrund der unterschiedlichen Bedürfnislage der Familien sehr viel stärker als bisher in ihrer Höhe nach der Kinderzahl gestaffelt werden und insbesondere die ab dem dritten Kind sprunghaft steigenden Kosten besser berücksichtigen.

 

19.  Der (Kinder-) Zuschlag zum Arbeitslosengeld sollte nach der Kinderzahl gestaffelt werden.

20.  Alle Kinder, für die Kindergeld bezogen wird (z.B. Azubis), sollten in die Abzugspauschalen bei der Berechnung von BAföG-Leistungen einbezogen werden.

21.  Die Bemessungsgrenze für das Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes sollte für kinderreiche Familien angehoben werden.

22.  Das Elterngeld sollte auch nach der Geburt eines Geschwisterkindes in Bezug auf das zuletzt erzielte Erwerbseinkommen bemessen werden, sofern die Zeit zwischen den Geburten zwei Jahre nicht übersteigt.

23.  Künftige Zuwächse bei Kindergeld und Kinderzuschlag sollten überproportional - nicht ausschließlich - kinderreichen Familien zu Gute kommen.

24.  Das steuerliche Existenzminimum für Kinder sollte auf den Betrag für Erwachsene angehoben und das Kindergeld entsprechend angepasst werden.

25.  Die Sozialversicherungen, v.a. die Renten- und die Pflegeversicherung, sollten den Vorgaben des BVerfG entsprechend die Kinderzahl der Versicherten in der Beitragsgestaltung stärker berücksichtigen und so Erziehungsleistungen besser anerkennen.

26.  Es sollte gemeinsam mit den Arbeitsgeberverbänden und Gewerkschaften nach Wegen gesucht werden, nach einer längeren Familienphase Müttern den Wiedereinstieg in den Beruf zu erleichtern.



[1] Stat. Jahrbuch 2014

[2] Vgl FAZ, 19. März 2015.

[3] Z.B. im Hessischen Landessozialbericht oder im Hessischen Familienbericht

[4] Vgl. Große Anfrage der Fraktion der CDU Rheinland-Pfalz: Situation kinderreicher Familien, Drucksache 16/ 4570, 2015.

[5] Bis 2020 wird sich diese Lücke weiter öffnen. Kinderlose werden einen durchschnittlichen Lohnanstieg von 2000 Euro jährlich verzeichnen, wohingegen Familien nur einen Lohnanstieg von rund 1650 Euro verbuchen können. (Vgl. Lohneinkommensentwicklung 2020, Bertelsmannstiftung, Gütersloh 2015)