Faktencheck - Schreiben nach Gehör

18.02.2016

Begriffserklärung: „Schreiben nach Gehör“ ist kein fachwissenschaftlicher Begriff, sondern umschreibt die Methodik des Schreibenlernens in Form des Spracherfahrungsansatzes nach Hans Brügelmann oder des „Lesens durch Schreiben“ nach Jürgen Reichen. Sie gehen von der Annahme aus, dass Kinder lesen und schreiben lernen, indem sie Schriftsprache nicht anhand der Regeln lernen, sondern sie selbstständig erforschend nutzen.

Das heißt, dass die Kinder in der ersten Zeit schreiben wie sie die Worte hören und wahrnehmen (lautgetreu) und nicht wie es die Rechtschreibregeln vorsehen.

 

Sie sollen sich auf der Basis einer eigenen Schrift den Rechtschreibregeln nähern. Für viele Schüler ist das eine Überforderung. Dies führt vielmehr dazu, dass sich Kinder über Monate bzw. Jahre eine falsche Rechtschreibung angewöhnen.

 

Von SPD und Grünen vorgebrachte Argumente:

 

·         „Es sind nicht 932, sondern nur 16 Grundschulen, an denen „Schreiben nach Gehör“ unterrichtet wird.“

 

Falsch: In 16 Grundschulen wird ausschließlich mit der Methode „Schreiben nach Gehör“ gearbeitet. An 932 Grundschulen wir in unterschiedlicher Intensität bis einschließlich Klasse zwei nach dieser Methode das Schreiben erlernt.

(Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion Drs. 16/5449, S.3)

 

 

·         „Die Methode wird doch einvernehmlich mit den Eltern eingeführt“

 

Falsch: Das Ministerium antwortet auf die Frage der Elternbeteiligung in Bezug auf die Verwendung der Methode Schreiben nach Gehör:

 

„Die Methodenwahl im Unterricht (…) unterliegt nicht der Elternbeteiligung.“
(Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion, Drs. 16/5449, S. 3)

 

 

·         „Die Methodenwahl wird vom Land nicht vorgegeben, sondern steht den Lehrern frei:“

 

Falsch: Im Rahmenplan für die Grundschulen(S. 17) heißt es:

 

„Darüber hinaus ist es wichtig, erste schriftliche Ausdrucksformen zu respektieren und für einen behutsamen Übergang vom lautgetreuen Schreiben zum normgerechten Schreiben zu sorgen, um die Schreibmotivation zu erhalten.“

 

Damit wird offiziell von den Grundschullehrern eingefordert, mit lautgetreuem Schreiben (Schreiben nach Gehör) zu beginnen und erst im Verlauf der weiteren Grundschulzeit auf eine regelbasierte Schreibweise umzustellen. Je später das geschieht, desto schwieriger wird es für die Schüler.

 

 

·         „Die Kritik an der Methode „Schreiben nach Gehör“ geht vollständig an der fachwissenschaftlichen Diskussion vorbei.“

 

Falsch:

In einer Empfehlung des Mercator Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache wird zu der Methode „Schreiben nach Gehör“ festgehalten, dass diese Strategie nicht ausreiche, um ein kompetenter Leser und Schreiber zu werden. Weiter heißt es, schwächere Lerner scheiterten an den Anforderungen dieser Methode. Es sind also gerade die schwächsten Schüler, die besonders unter „Schreiben nach Gehör“ leiden.

 

Zahlreiche Wissenschaftler und Pädagogen (wie beispielsweise Renate Valtin oder Prof Wolfgang Steinig) kritisieren inzwischen das Schreiben-nach-Gehör- Konzept scharf. Untersuchungen zeigen eine teilweise Verschlechterung der Rechtschreibung beispielsweise bei Grundschülern der zweiten und dritten Klassen.

 

 

·         „Die CDU übertreibe maßlos. Nach dem 4. Schuljahr können doch die meisten Schüler richtig schreiben.“

 

Falsch:

Im Rahmen der Mainzer Bildungsgespräche wurde in einer wissenschaftflichen Langzeitstudie (Prof.Steinig) nachgewiesen, dass die Rechtschreibfähigkeiten in der Grundschule in den vergangenen Jahren spürbar abgenommen haben. Er führt das unter anderem auf die Methode des lautgetreuen Schreibens zurück.

 

 

·         „Rechtschreibschwäche hat keine Ursachen im Schreiben nach Gehör.“

 

Falsch:

Daswird auch nicht behauptet. Die allgemeine Fähigkeit, die Rechtschreibregeln und die Grammatik korrekt anzuwenden, wird beeinträchtigt. Legasthenie ist eine Krankheit, die damit nichts zu tun hat.

 

 

·         „Die Methode gibt es in allen Bundesländern außer Hamburg.“

 

Wahr ist:

In Hamburg hat ausgerechnet der SPD-Bildungssenator die Methode untersagt. Dabei wurde sie sogar dort entwickelt.

 

In vielen anderen Bundesländern, die lange von der Union regiert wurden, wurde die Methode kaum protegiert, sodass sie dort kaum zur Anwendung kommt – anders als in Rheinland-Pfalz. Deshalb ergibt sich dort diese Frage erst gar nicht.